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Leben im Denkmal

Im Fachwerk anno 1484

Von Micaela Buchholz

Luise Schreiber-Knaus und Peter Knaus haben bei Tübingen ein über 500 Jahre altes Haus instandgesetzt. Seine Rettung kostete nicht mehr als ein übliches Einfamilienhaus. Seine Geschichte aber ist unbezahlbar.

Der erste Eindruck zählt. Das dachte sich auch Peter Knaus und drehte noch im Auto um, als er das Haus zum ersten Mal sah. Seine Frau Luise und er waren schon lange auf der Suche nach einem Denkmal, das sie retten konnten. Aber ausgerechnet dieser triste Bau auf einer Asphaltfläche mitten in Bodelshausen? „Bloß nicht“, da waren sie sich einig. Dann gaben sich die beiden doch einen Ruck und besichtigten es von innen.

Die gewölbte Bohlenbalkendecke im ersten Obergeschoss überzeugte sie schließlich. Sie war ein Hinweis auf einen wohlhabenden Bauherrn im Spätmittelalter, der Wert auf eine gemütliche und repräsentative Stube legte. Wer weiß, was sich sonst noch unter Verschalungen, Zwischenwänden, Tapeten und Bodenbelägen der vergangenen 50 Jahre verbergen mochte. Die Restauratorin und der Lehrer im sonderpädagogischen Bereich wollten es herausfinden. Sie kauften das Gebäude der Gemeinde 2006 ab.

„Es war schon fünf nach 12“, sagt die 44-Jährige über das 1484 erbaute zweigeschossige Fachwerk mit Erdgeschoss aus Natursteinmauerwerk. Das vermutlich älteste Wohnhaus der kleinen Gemeinde südwestlich von Tübingen sollte für Parkplätze und einen Baugrund weichen. Einem Denkmalpfleger, der von den Plänen und der markanten Holzdecke erfuhr, ist es zu verdanken, dass aus dem Abriss nichts wurde. Die Behörde ließ das Bauwerk untersuchen und unter Schutz stellen. Mit den beiden Hausliebhabern fanden sich schließlich die passenden Käufer.

Sich bewusst Zeit lassen

Nach zwei Jahren waren das erste Obergeschoss nutzbar und die Schäden am Gebäude beseitigt. Richtig wohnlich bis ins Detail war es nach zehn Jahren. Durch ihr behutsames Herantasten offenbarte ihnen das Haus nach und nach die Geschichte seiner Bewohner. Mit dem Rückbau arbeiteten sich Luise und Peter Schreiber-Knaus an den historischen Kern des Hauses heran. Es bestand immerhin noch zu 70 Prozent aus mittelalterlicher Bausubstanz.

Gravierendere Schäden waren erst im Laufe seines langen Lebens entstanden. Meistens durch unsachgemäße Umbauten, für die Stücke aus dem Eichenholz-Tragwerk gesägt wurden. An einer der Giebelseiten hatte sich das Gefüge stellenweise gelöst und kippte etwas nach vorn. Für denkmalerfahrene Zimmermänner keine große Sache. Sie fügten es wieder zusammen und reparierten, wo nötig. Beschädigte Gefache wurden mit Lehmsteinen neu ausgemauert. Nachdem die ursprünglichen Fensteröffnungen wieder freigelegt waren, bekamen sie feingliedrige Kastenfenster aus Eichenholz mit Einfachverglasung und glasteilenden Sprossen. Der Luftraum zwischen innerem und äußerem Fenster schützt vor Schall und Wärmeverlust.

Komfortabel wohnen

Neben der reichen Historie genießen die Denkmalretter einen Wohnkomfort, wie man ihn sonst in Altbauten der vorletzten Jahrhundertwende vorfindet: hohe Decken und nach Süden helle Räume dank zahlreicher Fenster. Das zeigt sich besonders in der Küche, die das Paar selbst gebaut hat. Die Bodenziegel im Kochbereich lagen schon seit langer Zeit an Ort und Stelle. Darauf mauerten sie aus Porenbetonstein eine L-förmige Küchenzeile und eine Kochinsel, die sie mit graublauen handgemachten Fliesen aus Peru verkleideten. Einen Bereich hielten sie für den sechsflammigen Gasherd von Lacanche frei, einem traditionellen Hersteller aus Burgund. „Durchs Selbermachen konnten wir so viel sparen, dass wir uns damit belohnt haben“, sagt Luise Schreiber-Knaus.

In die Instandsetzung investierten sie im Laufe der Jahre samt der Gartengestaltung rund 340.000 Euro. „Das ist für ein 500-Quadratmeter-Grundstück und 200-Quadratmeter-Wohnfläche günstiger als wir für einen Neubau in dieser Region bezahlt hätten“, resümieren die beiden. Inzwischen habe sich das Bauen und auch die Entsorgung von Altbaustoffen, von Dämmungen über Wandverkleidungen bis Fliesen, generell verteuert. Doch ein über 500 Jahre altes Haus wieder bewohnbar zu machen, sei ein erfüllendes Projekt und für Luise und Peter Schreiber-Knaus die nachhaltigste Art des Bauens. Der erste Eindruck ist eben nicht alles.

Ein Blick in das Haus

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