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Ein Beitrag aus der

Landlust Zuhaus

Reportage

Zu Besuch beim Hausversetzer

Von Isa von Bismarck-Osten

Axel Beeker hat sechs Fachwerkhäuser, die woanders im Weg standen, auf das Gelände seiner Gärtnerei im Landkreis Uelzen versetzt. Als Zuhause für seine Familie. Manche bekam er für eine Fuhre Feuerholz, eine Ladung Pflanzen oder einfach geschenkt.

Fachwerkhäuser umtopfen wie Pflanzen? Für Axel Beeker ein ganz normaler Vorgang. Als der Gärtnermeister Ende der 1960er Jahre der Liebe wegen von Freiburg in das ländliche Uelzen zog, hatte er zwar viele Ideen, aber wenig Geld. Von seinen Eltern mit Sinn für Baukultur ausgestattet, konnte es der damals 33-Jährige nicht fassen, dass in der Lüneburger Heide so viele Fachwerkhäuser abgerissen wurden. Einen gesetzlich geregelten Denkmalschutz gab es in Deutschland damals noch nicht. Also beschloss er, für sich und seine Familie ein Wohnhaus zu translozieren, wie das Versetzen von Häusern an einen anderen Ort auch genannt wird. Das Material war günstig und die Aussicht auf ein charmantes Wohnhaus mit Geschichte reizte ihn.

Beim Wiederaufbau wollte er sich am Original orientieren. Auf dem Gelände der Gärtnerei seiner Schwiegereltern hatte er für das Bauen im Außengebiet eine Genehmigung erhalten. Einen erfahrenen Zimmermann kannte er auch. Den Anfang machte 1968 eine ehemalige Klosterscheune, die in der Nachbargemeinde Gerdau abgerissen werden sollte. Die Eigentümer wollten aus den Balken des etwa zehn mal zehn Meter großen Gebäudes Brennholz machen. Axel Beeker konnte sie überzeugen, ihm die 1847 erbaute Scheune mitsamt der Fundamentsteine im Tausch gegen viereinhalb Festmeter Brennholz zu überlassen. Mit einem Käfer-Cabrio und einem Anhänger transportierte er die historischen Baustoffe auf seine Baustelle. Sein Schwiegervater hielt das Versetzen von alten Häusern für „Quatsch“ und unterstützte das Vorhaben weder mit Firmenfahrzeugen noch finanziell. 

„Es gab Zeiten, da bin ich doch etwas mutlos geworden“, räumt der heute 87-jährige Axel Beeker ein. Alles was er und seine Frau damals an finanziellen Mitteln hatten, waren Volkswagen-Aktien im Wert von 9.000 Mark. Davon bezahlten sie den Lohn des Zimmermanns, alles andere mussten sie selbst machen.

Gemeinsam mit dem Zimmermann dokumentierte Axel Beeker das Gebäude anhand von Fotos sowie einem genauen Aufmaß. Dann nummerierten sie alle Bauteile wie Balken oder auch Fundamentsteine. Schließlich begann der systematische Abbau. Als Erstes nahmen sie mit den Pfannen die Last vom Dach. Die Steine in den lehmvermauerten Gefachen klopften sie vorsichtig von oben nach unten heraus. Vor dem Wiederaufbau entfernten die Häuserretter alte Nägel und Lehmreste. Beschädigte Balken arbeiteten sie gemeinsam auf. Material, das ihnen fehlte, holte der Gärtnermeister aus ländlichen Schuttkuhlen, meist ehemalige Märgel- oder Sandkuhlen.

Zeitgemäße Dämm- und Heiztechniken

Axel Beeker wollte keineswegs ein Museum errichten, sondern ein altes Haus mit modernem Komfort bewohnen. Daher informierte er sich auf der Bau-Messe in Hannover über zeitgemäße Dämm- und Heiztechniken. So isolierte er den Boden und die Geschossdecke der Scheune mit Blähton. Da er auf Heizkörper verzichten wollte, verlegte er im Boden Warmluftschächte mit Luftauslässen vor den Fenstern. „Damals war das eine ganz neue Technik, die aus Kanada kam“, erklärt er. Heute würde er sich jedoch für eine Wandheizung entscheiden, unterstützt von einer thermischen Solaranlage.

Sechs Jahre später schenkte ihm die Straßenmeisterei ein Speicherhaus, das in einem Uelzener Ortsteil im Weg war. Mehr als zwei Jahrhunderte hatte es den Salzfahrern aus der Hansestadt Lüne-burg auf ihren Handelswegen nach Süden als Rast- und Lagerhaus gedient. Zuletzt nutzte eine Gastwirtschaft es als Rumpelkammer. Darunter waren Antiquitäten aus der Biedermeierzeit, die entsorgt werden sollten. Axel Beeker übernahm das Inventar und stiftete es dem damals von ihm mitgegründeten Museumsdorf Hösseringen. Ein kleinerer Teil steht in Axel Beekers Wohnhaus. „Der heutige Nachhaltigkeitsgedanke ist für mich nichts Neues“, sagt er.

Das zweistöckige Speichergebäude kam Axel Beeker und seiner inzwischen verstorbenen Frau Gertrud gerade recht, denn für ihre drei Kinder wünschten sie sich einen größeren Spielbereich. Im Obergeschoss des „Kinderhauses“ sollten zudem Gästezimmer entstehen. Dem Baggerbiss entkommen ist ein für die Lüneburger Heide typischer Treppenspeicher, der seit 1978 auf Axel Beekers Grundstück steht, gegenüber der ehemaligen Klosterscheune. Oben bietet er den Pfauen des Hofes einen Schlafplatz. Unten im Stall standen lange Zeit die Haflinger Nina und Salut, die in der Gärtnerei bei den Erdarbeiten halfen.

Als Nächstes siedelte er für seine Frau und ihr Teekränzchen ein ehemaliges Spritzenhaus aus Jameln im Landkreis Lüchow-Dannenberg um. Es sollte eigentlich für eine Feuerwehrübung geopfert werden. Axel Beeker tauschte es gegen Pflanzen aus seiner Gärtnerei ein. Die Autos der Familie parken in einer einstigen Scheune aus Uelzen-Holdenstedt. Ein früherer Schweinestall aus Bargfeld bei Hannover bietet Perlhühnern und Tauben eine Heimat. Einzelne Balken datierten auf 1612. Das ergab eine dendrochronologische Holzaltersbestimmung. Alte, aber gesunde Balken baute man schon früher in neue Fachwerkbauten ein. Recycling ist eine uralte Sache. Bewahrenswert.

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